Montagabend kam meine Schwester. Sie hat für gestern einen Tag Urlaub bekommen. Am Dienstagmorgen sind wir eigentlich recht entspannt aufgewacht und hatten zuvor gut geschlafen.
Gegen 9 Uhr haben wir uns dann fertig gemacht. Langsam beschlich mich dieses bedrückende Gefühl. Ich will das alles nicht. Nicht schon wieder…
Um halb 10 sind wir dann los. Mama konnte nicht mit, wegen ihrem Zustand. Ich fand das alleine schon traurig. Meine Schwester und ich sind dann erst zum Floristen. Wir wollten weiße Lilien holen. Der Florist hatte keine. Er hatte überhaupt keine einzelne weiße Blumen, ausser Rosen. Papa mochte Rosen nicht besonders, aber es waren die einzigen weißen Blumen. Die Floristin hat noch etwas Grün dran gemacht und dieses Kraut eingebunden. Mir fällt grade nicht ein wie es heisst, es wird gerne auch bei Brautsträußen verwendet. Auf jeden Fall sah es schön aus.
Dann sind wir zum Friedhof gelaufen. Der Weg dorthin war auch entspannt. Am Friedhof angekommen, haben wir zuerst den großen Blumentopf mit den Primeln hingestellt. Der ist von den Nachbarn, die leider nicht kommen konnten. Ich hatte am Abend zuvor noch eine kleine Tafel gemalt mit dem Namen vom Papa.
Ich hatte einen Klos im Hals. Wir sind dann zur Trauerhalle gelaufen. Dort hat uns die Bestatterin und der Friedhofs Mensch in Empfang genommen. Die Begrüßung war herzlich und wir sind in die Trauerhalle gegangen. Dort stand Papas Urne und mir wurde schlagartig bewusst, was ich versuchte die ganze Zeit zu verdrängen. Mir schossen Tränen in die Augen. Meine Sis und ich machten Photos. Für uns und für Mama.
Wir standen relativ kurz andächtig vor der Urne, verbeugten uns vor Papa und dann sollte es losgehen. Meine Schwester hat die Urne getragen. Kaum waren wir aus der Trauerhalle raus brach meine Schwester zusammen. Tränen flossen über ihr Gesicht und sie verlor die Orientierung während sie sich an die Urne klammerte. Mir liefen die Tränen ebenso, wollte aber stark sein für meine Schwester. Der Friedhofsmensch bemerkte dies und ging dann vor uns. Am Grab angekommen übergab meine Schwester die Urne, nachdem wir beide nochmal über das kalte Metall strichen…Abschied nehmen..
Er ließ die Urne in das Grab, stand kurz mit gefalteten Händen davor, verbeugte sich und ging dann. Er ließ uns Raum zum Abschied nehmen. Meine Sis und ich fingen an zu weinen. Meine Schwester hielt sich die Rose an die Nase und durch das weinen rotzte sie in die Rose. Das verursachte ein Lachen zwischen uns. Wir weinten und lachten gleichzeitig. Dann sprach ich ein paar Worte. Ich bedankte mich bei Papa. Ich dankte ihm für alles und das er ein so toller Vater uns war. Mir versagte die Stimme und aus meiner Schwester brach es auch heraus.
Wir standen dann wortlos vor seinem Grab. Meine Schwester trat einen Schritt zurück und ich einen vor. Ich nahm die Schaufel, welche auf einer Schale mit Erde lag und nahm eine Schippe. „Erde zu Erde und Staub zu Staub. Wir sehen uns wieder, Papa“ sagte ich und schippte die Erde auf seine Urne. Danach kniete ich mich nieder und legte die Rose neben die Urne, tief im Erdreich. Das gleiche Tat meine Schwester, wortlos.
Wir standen noch eine Weile am Grab, weinten und fanden beide wie unfassbar alles ist und wie unrealistisch es ist, seinen Namen auf dem Kreuz stehen zu sehen. Dann sind wir gegangen. Auf dem Weg zum Ausgang sahen wir den Friedhofsmensch auf einer Bank sitzen. Wir winkten ihm zu und er wusste, er kann nun weitermachen….das Grab schließen…
Die Bestatterin war bereits weg. Fand ich schade, hätte gerne noch Tschüss und Danke gesagt. Naja, nicht so schlimm, sehe sie ja nochmal. Auf dem Weg nach Hause sind wir am Kiosk vorbei. Eine Flasche Wein holen. Zu Hause angekommen, haben wir Essen bestellt. Wir haben erst Mama alles erzählt und ihr die Bilder gezeigt. Sie hat um 10 Uhr, Zeitpunkt der Beisetzung, alles ausgemacht und ihren Hochzeitsspruch, welcher gleichzeitig auch beider Konfirmationspruch war, gebetet und feste an Papa gedacht.
Psalm 23 – Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führt mich auf rechter Straße um seines Willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereit est vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenktest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar
Mir trieb es wieder Tränen in die Augen. Wir sind nicht religiös….Papa war es ein bisschen und ich fand es so schön wie sie es erzählt hat. Dann bestellten wir unser Essen. Wir haben alle etwas ausgesucht was Papa gerne gegessen hat. Mama nahm einen Cheesburger, ich ein Steak mit Pommes und meine Sis einen mexikanischen Salat. Papas Leichenschmaus…meine Sis und ich tranken dazu ein Glas Wein.
Am Abend ist meine Schwester wieder nach Hause gefahren, sie muss heute wieder arbeiten.
Papa wollte kein TamTam wegen seiner Beisetzung. Ihm wäre es am liebsten gewesen – verbrennen und dann die Asche einfach weg. Deswegen gab es keine Trauerfeier, keinen Pfarrer, oder sonst was. Aber ein bisschen „schön“ wollten wir es aber haben…und so war es auch. Es gab kein TamTam, aber trotzdem war es voller Respekt und Andacht. Schade fand ich das ausser seinen Kindern niemand da war. Es ging halt nicht. Die meisten seiner Freunde sind in Afrika, oder wohnen weit weg… Hamburg usw…aber alle haben trotzdem Anteil genommen. Per Telefon, oder Email, Brief….
Ein schwerer Tag. Ein schwerer Tag von vielen… Für nur 1 Minute mit meinem Papa gebe ich jeden einzelnen verdammten Cent des Erbes, das Haus, das Auto, einfach alles… Wieviel muss ich noch aushalten? Mir wird in diesem Leben alles genommen…jetzt habe ich nur noch meine Mama und meine Schwester…
Norbert, Horsti….Papa…ihr fehlt mir…was muss ich tun?