Der Tod begleitet mich mehr, als andere Menschen. Aber warum? Ich bin in Afrika aufgewachsen. Als Kind habe ich den Tod schon oft gesehen. Als Kind begreift man es aber nicht. Man denkt nicht darüber nach. Meinen ersten Toten, den ich kannte, war ein Freund meines Vaters. Ich war 8, oder 9, vielleicht auch älter, ich weiß es nicht mehr, und er ist an Lungenkrebs gestorben. Hat nie geraucht. Ich habe es nicht begriffen. Er war halt einfach nicht mehr da, und er war so lustig. Es hat mich nicht bedrückt, konnte damit nichts anfangen. Ein paar Jahre später ist wieder jemand gestorben, den ich kannte. Da hatte ich das erste mal das Gefühl von Trauer. Ich weiß noch wie ich um ihn geweint hatte. Auch ein Freund meiner Eltern. Ich weiß nicht mehr wie alt ich da war. Aber ich habe begriffen was es bedeutet!
Während meiner Schulzeit in Afrika sind auch Menschen gestorben. Klassenkameraden, Leute eine Stufe höher, alles Leute die ich kannte, mit denen man was zu tun hatte. Da war ich um die 14 denke ich. Als ich 16 Jahre alt war, sind wir nach Deutschland zurück gekehrt. Dann war eine Weile Ruhe. Ich bin zwar hier in die Schule gegangen, aber hier läuft alles etwas anders. Ich kannte die erste Zeit ja niemanden und habe mich nur um mich gekümmert, nebst Familie eben. Irgendwann starb mein Opa. Ich war traurig, aber nicht so sehr irgendwie. Ich hatte meinen Opa ewig nicht mehr gesehen. Jahre nicht mehr gesehen. Die Verbindung war nicht eng…es hat mir aber sehr leid getan…
Irgendwann ging es richtig los. Seitdem ich Anfang 20 bin, sterben Leute in meinem Umfeld. Menschen, mit denen ich eng zu tun hatte und Menschen die ich nur flüchtig kannte. Ein Freund sagte vor ein paar Jahren mal: „Man sollte seinen schwarzen Anzug nicht zu weit hinten im Schrank vergraben.“ Makaber, aber wahr!
Im Schnitt ist alle 1 bis 2 Jahre jemand gestorben. Ich weiß gar nicht, auf wie vielen Beerdigungen ich war… Unser Freundeskreis dünnt sehr aus in den letzten Jahren. Auch ich selbst, bin dem Tod schon von der Schippe gesprungen. Aber er ist immer da, er ist immer bei mir. Aus Unterhaltungen mit anderen habe ich erfahren, daß die meisten Menschen bei weitem nicht so viele Tote zu beklagen haben. Die Eltern, die Großeltern maximal. Der ganz normale Gang eben. Aber das ich jemanden getroffen hätte, der fast jedes Jahr einen Toten zu beklagen hat – Nein…da bin ich in der Tat ein Einzelfall…
Ich bin ein Lebensbejahender Mensch, lache gerne und viel. Aber die andere Seite in mir ist düster…warum begleitet mich der Tod mehr als andere Menschen? Warum ist er immer in meiner Nähe. Abgesehen davon, daß ich ihm schon entkommen konnte, kommt er mir sehr nah. Mein Ex, mein bester Freund, Bienschen, ist gestorben vor 5 Jahren. Ich habe 4 Jahre lang um ihn getrauert. Vor 4 Monaten ist meine Seele gestorben…2 Menschen mit denen ich sehr sehr eng verbunden war. Mit meinem Engel noch viel mehr…
Manchmal fordere ich den Tod heraus. Es ist nichts risikohaftes, oder so. Manchmal denke ich mir aber, wenn ich unter einem Kran laufe, daß dieser doch umfallen möge und mich unter sich begraben soll. Sowas in der Art, ein dummes Unglück eben, wie es so passiert. Ich bin dann enttäuscht, wenn der Kran nicht umfällt. Ich kenne mein Schicksal nicht, ich weiß aber, daß ich noch nicht dran bin. Ich habe noch Aufgaben im Leben zu erfüllen, daran kann auch Gevatter Tod nichts ändern.
Meine Eltern sind beide sehr krank und es dauert nicht mehr lange, da werde ich mich um sie kümmern müssen. Ich mache das gerne, es sind ja schließlich meine Eltern! Sie haben mich ins Leben begleitet und ich begleite sie auf ihrem letzten Weg. Ich wünschte natürlich, es würde noch dauern…vielleicht sind es noch 2, oder 5 Jahre, aber keinesfalls mehr als 10 Jahre. Seit etlichen Jahren habe ich das Gefühl aus der Trauer nicht mehr rauszukommen. Es sind einfach zu viele Menschen, die ich kannte, die ich mochte, die mir was bedeutet haben…
Ich lache viel und bin ein positiver Mensch, aber wenn ich es zulasse, zereisst mich was ich bisher erleben durfte…nur warum ist das so? Warum ist der Tod immer in meiner Nähe? Was hat das zu bedeuten?
Mein Engel und ich teilen nicht den Grabkult. Es ist irgendwo lächerlich. Jeder rennt auf den Friedhof, um die leere sterbliche Hülle zu betrauern, dabei ist doch die Person gar nicht da. Sie ist überall, wo man sie spüren kann. Zu Hause, an schönen gemeinsamen Orten, im Herzen..aber nicht dort auf dem Friedhof…gebunden an sein Grab.. Trotzdem gehe ich auch auf den Friedhof, wohlwissend das er ja gar nicht da ist…nicht dort! Der Friedhof macht aber einem mehr als bewusst, wie vergänglich alles ist. Es zwingt einem zu Gedanken seinen eigenen Tod an sich ran zu lassen. Wie will ich beerdigt werden?, ist der banalste Gedanke dazu. Mir ist es mehr als egal, denn wenn ich irgendwann auch mal diesen Planeten verlasse, interessiert es mich doch nicht mehr, was mit meinem Körper passiert. Er gehört mir dann nicht mehr, brauche ihn nicht mehr und es spielt für mich auch keine Rolle mehr. Der Grabkult dient nur den Angehörigen…eine teure Angelegenheit ist es dazu…
Es ist seltsam…was will der Tod von mir? Er weiß doch wann ich dran bin…soll er doch jemanden anderes auf die Nerven gehen…. C´est la vie
Bis dann