Rückblick nach vorne

Angenfangen hat alles, als wir zur Rollschuhdisko sind. Meine Freunde wollten das ich raus komme, unter Leute, mich ablenken. Ich dachte mir damals – Nein lasst mich in Ruhe, hab mich überreden lassen. Als wir da waren hat es aber super Spaß gemacht und ich habe Blut geleckt. Von da an waren wir jedes Wochenende weg, manchmal sogar unter der Woche. Wir hatten so Spaß miteinander, konnte ich ahnen das sich sowas entwickelt? Ich wollte doch nur am Leben teilnehmen. Für einen kurzen Moment meine Trauer ertragen können, mich ablenken – so wie alle es mir ständig eingeredet haben.

Mir ist klar, daß ich die beiden mitgerissen habe. Woher sollte ich aber wissen, daß sich so eine Verkettung ergibt? Was kann ich denn dafür, wenn Gefühle querschießen? Ich wollte doch nur Spaß haben…wenn ich zu Hause bin, bin ich nur am weinen. Früher oder später. Als hätte ich nicht genug Probleme. Ich habe keine Probleme in dem Sinn. Ich kann meine Miete bezahlen, meinen Strom, mein Internet, mein Kühlschrank ist auch am Ende des Monats voll…und habe Geld zum weg gehen…

Es wird niemals mehr so sein, wie es war. Auch wenn wir drei wieder „gut“ sind, ist da ein Riss der nicht mehr zu kitten ist. Über kurz, oder lang wird sich das verlaufen. Dagmar sagte mir ich verliere sie nicht als Freundin. Aber das wir drei zusammen weg gehen, ist vorbei. Ich sagte ihr, daß ich aber ohne sie nicht weg gehe. Also? Es wird sich verlaufen..wir werden uns immer weniger sehen, Karl macht weiterhin alles für mich und ich werde ihm eines Tages sehr weh tun. Ich kann seine Gefühle nicht erwidern, nicht so wie er es gerne hätte.

Mittags war Avni bei mir. Er sah mir an, daß etwas gewaltig nicht stimmt. Ich erzählte ihm nicht worum es geht. Ich sagte ihm nur – Dagmar ist in Karl verliebt, Karl ist in mich verliebt und ich liebe meinen Mann und deswegen gab es bisschen Stress. Avni riss seine Hände in die Luft und sagte – was ein Kindergarten. Ich sagte ihm, daß es wohl so ist aber es ist nicht einfach, egal ob es Kindergarten ist, oder ob wir alle erwachsene Leute sind. Er schaute mich an und sagte: Hase, du hast ja noch mehr Probleme wie ich. Ich lachte und meinte – Ja kaum zu glauben, oder?

Avni sagte: Onkel Hotte ist ein paar Wochen weg und wie verhalten sich die Buben gegenüber dir? Der ist verliebt in dich und Der und Der auch! Wo ist da der Respekt? Ich schüttelte den Kopf und antwortete: Tja siehste mal. Für die Leute geht das Leben schneller weiter als für mich, und sie sehen es nicht. Bin aber auch selbst Schuld, wollte doch nur Spaß haben um mich abzulenken. Er nahm mich in den Arm und sagte: Du hast keine Schuld. Das müssen die verstehen. Haben die alle einen Knall, oder was? Deine Liebe bleibt, die kannst du nicht innerhalb von ein paar Wochen abschütteln und dir einen neuen Mann suchen. Das braucht Zeit. Deine Zeit, nicht ihre. Ich bedankte mich bei Avni für sein Verständnis und seine Worte. Ich sagte ihm, wenigstens bist du noch klar im Kopf..

Avni stand auf und sagte, er gehe jetzt mal in die Moschee, da war er länger nicht. Ich sagte eher scherzend: Ja, bete für mich mit… Das mache ich sowieso, antwortete er und ging.

Diese Art Probleme habe ich. Mein Mann ist gestorben, meine Freunde fangen an zu spinnen, Rainer hat auch wieder einen Bock geschossen und ich sitze mittendrin. Das ist nur eine kleine Auswahl. Einige andere Dinge erwähne ich hier gar nicht..mir platzt der Kopf. Ich habe wieder Fluchtgedanken. Ich wollte hier niemals ausziehen, weil mein Baby hier ist. Nun will ich mit aller Macht hier weg und ich kann es nicht. Wie soll ich sein Bild mit nehmen? Ich kann es nicht hier lassen! Also was bleibt mir übrig? Ich muss meine Umgebung verändern. Ich werde alles einfach laufen lassen. Die Zeit wird zeigen was passiert.

Die Möglichkeit, die ich nun habe, über die ich schon länger nachdenke ist, ich werde meine Selbstständigkeit aufgeben und werde mir einen Job suchen…zuerst mache ich aber meinen Führerschein…so kann ich meine Umgebung verändern, neu gestalten, und kann hier bleiben. Bei ihm…

Yesterday, all my troubles seemed so far away…

Baby ich will bei dir sein, du fehlst mir so wahnsinnig. Ich weiß, meine Zeit ist noch nicht da…ich muss durchhalten, werde auch durchhalten.

Es muss sich niemand Sorgen um mich machen. Mein offizielles ICH ist stark! Mein offizielles ICH regelt das mit mir schon. Was ich schreibe befindet sich nur in meinem Herzen…alles gut.

Bis dann

2 Gedanken zu “Rückblick nach vorne

  1. Perfekter –als Vorderhauszote konnte es keiner ausdrücken. Wunderbar. Die Person hat so was wie Weitblick.
    Bitte nicht ausziehen oder so drauf fixieren……. das war doch Euer Reich.
    Später einmal ja. Vielleicht kannst Du ja noch einmal bei diesem guten Pflegedienst Information einholen. Denn wie Du geschrieben hast waren die begeistert von Deiner Pflege zu Deinem Mann. Man weis ja nicht wie das Leben so spielt und Du kannst dort arbeiten.Ich denk an Dich,Pamela.

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    • Hi Pam, ja das mit dem Pflegedienst stimmt. Die wollten sich ein halbes Jahr später bei mir melden um mich als Referentin einzuladen, für andere Betroffene und Angehörige. Persönlich möchte ich auch in die Sterbebegleitung bei Krebspatienten…ist vielleicht wirklich eine Art Berufung für mich 🙂 aber mal sehen was kommt. LG Veronika

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