Die Tage telefonierte ich mit Bruder (von Schatz). Er wollte hören, wie es mir geht, hatten ja eine Weile nicht mehr telefoniert. Ich fragte ihn – willst du eine ehrliche Antwort?, oder eine Nette.. Er lachte und sagte – sag mir wie es ist. Ich erzählte ihm dann wie es mir geht. Ohne etwas weg zu lassen, ohne zu beschönigen, oder runter zu spielen. Die Worte blubberten einfach aus mir heraus und es waren ehrliche Worte. Ich erzählte ihm, daß die Trauer da ist..sie einfach da…und sie würde schlimmer werden, nicht besser. Ich sagte – als mein Engel gegangen war, war das die Hölle für mich…aber es war im Vergleich zu heute nicht so schlimm…hört sich doof an, aber es ist so. Es wird mit jedem Tag schlimmer und nicht besser. Es ist wie Trauer Rückwärts.
Bruder erklärte mir, daß er das schon mal gehört hatte. Es liegt wahrscheinlich daran, daß man am „Anfang“ viele Dinge zu erledigen hat und die Trauer hinten anstellt, soweit wie möglich. Wenn alles erledigt ist, die Beisetzung geschehen ist usw, dann ist da nichts mehr, womit man seine Trauer wegschieben kann. Und dann kommt sie..dann ist da Platz dafür..deswegen scheint es einem so, als würde die Trauer immer schlimmer werden. Ich stimmte ihm zunächst zu, schien mir logisch was er sagte. Aber ist es wirklich so? Mit jedem verdammten weiteren Tag wird mir bewusster das mein Engel nicht mehr bei mir ist. Das ich ihn nicht sehen kann, spüren kann…Ich wusste von Anfang an das er nicht mehr da ist, ich habe gesehen wie seine Seele seinen Körper verlassen hat. Ich weiß es ja! Trotzdem wird es mit jedem Tag schlimmer. Ich werde mit jedem Tag unsicherer… Ich wandele auf diesem schmalen Grat zwischen Verzweiflung und „nach vorne schauen“.
Ich habe meine Magie verloren und ohne meine Magie, habe ich keine Kraft. Und ohne Kraft – wie soll ich das alles schaffen? Meinen Eltern geht es gesundheitlich sehr schlecht. Ich bin da für sie, keine Frage. Ich habe aber niemanden, mit dem ich das durchstehen kann. Sicher habe ich meine Sis und meine Freunde, aber das ist was anderes…ich habe niemanden an meiner Seite, der mir die Kraft gibt, meine Magie auffüllt…
Ich sagte zu Bruder – es wird nicht aufhören, oder? Es hört nicht auf….Es wird niemals aufhören! Bruder sagte in dem Moment nichts. Er spürte meine Verzweiflung und wusste nichts darauf zu sagen… Dann versuchte er mir tröstende Worte zu sagen. Er sagte, wie er uns beneidet hat, weil wir ja so besonders waren. Wie ich ihn immer angesehen hätte und wie liebevoll er mit mir umgegangen wäre. Aber dies hat wie immer das Gegenteil bewirkt. Wir beendeten das Gespräch und Bruder wollte die Tage bei mir mal vorbei kommen…
Nach dem Gespräch dachte ich über alles nach. Ich dachte an die Tage, kurz bevor er ging. Mein Engel hat auf dem Sterbebett noch geraucht. Ein paar Tage nicht, dann mal 1 bis 2 Zigaretten am Tag. Er hat sie eigentlich nicht geraucht, mehr gepafft und dann nach der Hälfte die Zigarette meist ausgemacht. 2 Tage vor seinem Tod hat er 4 Zigaretten geraucht. Er hat sie geraucht..richtig gierig abgezogen, als würde er niemals wieder rauchen können. Mein Engel wusste, daß dies seine letzten Zigaretten sein würden…er wusste es…
Ich fing an zu weinen..nicht schlimm, nur weinen. Ich dachte weiter nach. Meine Gedanken flogen. In meinen Gedanken sprach ich mit ihm:
Wir sind schon seit so vielen Jahrhunderten zusammen, treffen uns immer wieder und jedesmal sterben wir 1000 Tode und leiden so unendlich. Wir erinnern uns nicht daran, einfach weil wir vergessen. Ich kann nicht warten, bis wir uns wiedersehen…Ich habe soviel Spaß und Leben bei mir…das alles würde ich sofort eintauschen für nur 5 Minuten mit dir..ach was sage ich…für nur einen Augenblick! Bitte Baby..für nur einen Augenblick! Es wiederholt sich alles irgendwie. Bevor Du und Ich, du und ich waren, waren immer Leute bei dir. Gemütliches zusammensitzen, Spaß haben, was trinken. Wie es eben so ist. Das habe ich jetzt auch…genauso, wie es bei dir war. Damals!…Bei mir sind nun andere Leute, aber gleiches System. Ich bin jetzt Du. Kommt aber ein DU zu mir, wie ich zu dir kam? Damals?
Ich weinte inzwischen bitterlich. Ich kann nicht mehr, dachte ich mir…dann beruhigte ich mich. Ich saß auf der Couch, leicht apathisch. Dann bekam ich ein Gefühl. Ich bin regelrecht hochgeschreckt. Ich spürte ihn, ich spürte seine Anwesenheit! Ich hatte das Gefühl, er wäre nur grade mal auf dem Klo und kommt jeden Moment wieder ins Wohnzimmer. Dann spürte ich seine Anwesenheit noch stärker, als wäre er im Wohnzimmer bei mir. Ich fing wieder an bitterlich zu weinen. Ich rief laut – Baby, ich weiß du bist da..aber ich sehe dich nicht. Es ist so schön das du mich besuchst, aber es tut so weh..
Im Gleichen Moment verstand ich … ich verstand, warum er bisher nicht so oft zu mir kam. Er weiß wie ich leide..und er weiß, wenn er zu mir kommt, daß ich noch mehr leide. Aber das ist egal, sagte ich – ich will dich in meiner Nähe wissen! Ich will spüren das du da bist, daß ich nicht alleine bin… Es ist sicherlich besser für uns, wenn wir unsere Seelen erst heilen…aber ich kann mich nicht heilen, wenn du nicht da bist…ich weiß aber auch, du musst auch weiterkommen…“drüben“…ich weiß wie es ist…auch wenn ich vergesse, wie es drüben ist…hier…auf der Erde…wir vergessen es einfach…
Nach ein paar Minuten verschwand das Gefühl seiner Anwesenheit..er war wieder gegangen..ich spürte ein schönes Gefühl von Trost. Es vermag mich niemand zu trösten, aber als ich ihn spürte, war es einfach unglaublich…ich legte mich hin, auf die Couch, und schlief ein.
Heute ist Donnerstag. Das Wochenende ist in Sicht. Wir haben wieder Pläne gemacht und freuen uns darauf…ich freue mich auch…
Bis dann
Ich lächle…denke so für mich….ja das ist gut…. was ich hier lese , hier zum Schluß.Aber vorher ist das was ich las ,traurig.Richtig traurig.Denke auch so wie Bruder.Das war eine zutreffende Aussage.Will hoffen das es gute Dinge gibt in Zukunft die Dein Leben lebenswert machen.Ich denk an Dich.Pamela.
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