Die Nacht war ok. Schatz schläft schnell ein und schläft manchmal auch durch, bis auf einmal. Da muss er raus aufs Klo. Nichts aufregendes. Heute morgen aufgestanden und frühstück gemacht. Schatz isst neuerdings Pizza zum Frühstück, aber nur die Ofenfrische und meist eine halbe. Dazu einen Kaffee, einen Kakao und den Smoothie, den ich auch trinke.
Er hustet bisschen mehr wieder und manchmal ist blutiger Auswurf dabei. Gestern Abend habe ich Bolognese gemacht, mit Spirelli Nudeln. Dabei konnte ich bemerken, daß er Schwierigkeiten hatte mit den Nudeln. Er kann die Gabel links halten, aber schlecht führen. Bald ist die ganze linke Seite lahm…auch fallen ihm Dinge aus der Hand, wenn er sie links hält. Ansonsten ist der Arm beweglich und er hat Kraft. Es ist die Motorik die nachlässt…
Ich muss besser aufpassen…einerseits versucht er solche Dinge vor mir zu vertuschen, andererseits beklagt er sich, warum es keine Spaghetti gab…ich verstehe warum…ich bin nun noch mehr sensibilisiert um seine Vertuschereien „aufzudecken“ bzw. anzunehmen und respektvoll damit umzugehen. Ich verstehe warum er versucht das vor mir zu verbergen…würde ich genauso machen! Man will halt einfach nicht den Krüppel mimen…ist zwar hart ausgedrückt, aber passender kann man das nicht sagen….
Es ist eine Gradwanderung. Ich möchte das er seine Selbstständigkeit solange wie es geht behält, er will das auch. Aber manchmal ist es so, da lässt er es zu, daß ich ihm beim Anziehen und Ausziehen helfe. Duschen geht er alleine, ein Kraftakt. Er möchte das so…solange es eben geht…wenn was ist ruft er mich. Ich kämme ihm seine langen Haare, das geht mit dem Arm nicht mehr so gut.
Ich muss nun überlegen was ich koche. Es muss ein Gericht sein, das ihn nicht „vorführt“ und er es gut essen kann. Schneiden und gut zum Mund führen kann. Spaghetti sind da gut, die kann man auf der Gabel aufrollen, da fällt nichts runter. Auch Kartoffelpüree ist gut. Kleine Sachen sind nicht gut, denn das fällt ja von der Gabel runter…deswegen isst er fast nur noch Pizza…die kann er gut in der Hand halten…ich verstehe das alles ja, aber manchmal denke ich mir, warum sagt er es mir nicht – warum habe ich es nicht vorher gesehen…es ist nicht leicht für ihn..das wäre es für mich auch nicht..
Heute bin ich runter zum HA – brauchte ein Rezept für mich und für meinen Schatz. Aber dazu musste ich auch mit meinem Arzt reden. Es war voll heute und ich habe lange warten müssen, bis ich dran kam. Ich sagte zum Dok, daß er stärkere Schmerzmittel braucht. Mit dem was wir jetzt haben, kommen wir zwar gut klar – aber es gibt neuerdings Schmerzspitzen und da hilft das Novalgin nicht…
Anmerkung: In der Krebsschmerztherapie gibt es laut WHO 3 Stufen. Die erste Stufe zur Schmerzlinderung ist Novalgin und ähnliches…die 2. Stufe ist Tramadol und ähnliches…die 3 Stufe ist Fentanyl und Morphium…danach kommt nichts mehr…
Schatz rutscht also jetzt langsam in „Stufe 2“ rein….Ich sagte also dem Dok, daß er stärkere Mittel bräuchte, und Dok hat sofort genickt. Ich wollte Tropfen haben, die sind besser zu dosieren…also kam nur Tramadol in Frage. Bei Bedarf gebe ich ihm nun dieses..ansonsten erstmal weiterhin das Novalgin. Dann habe ich Dok noch erzählt wie es ihm sonst so geht. Ich kann dem Arzt gegenüber ungehemmt alles ausprechen. Dok hingegen tut sich schwer, obwohl als Arzt kennt er das doch alles…es ist vielleicht Respekt, Pietät, oder ..keine Ahnung. Aber Dok druckst immer ein wenig rum mit dem Krebs und nennt die Dinge nicht beim Namen. Egal..war mir nur aufgefallen…
Dann war ich noch schnell im REWE einkaufen für heute und wollte schnell wieder nach Hause. Mir ist nicht wohl, wenn ich Schatz alleine zu Hause lassen muss…als ich im Bus war, kam mir wie so oft ein schlimmer Gedanke…ich sah vor meinem geistigen Auge wie ich die Tür aufschließe und Schatz krampfend auf der Couch liegt. Dem war natürlich nicht so..zum Glück…es ist einfach die Angst die mich ständig begleitet..ganz abwegig ist das nicht…er hatte einen Schlaganfall vor 3 Jahren, und genau an der Stelle, wo die Narbe ist, war der Ausgangspunkt von seinem (bisher einmaligen) epileptischen Grand Mal Anfall…und genau an der Stelle sitzt nun eine wachsende Metastase…hin und wieder hat er einen Krampf im linken Arm..
Der Denker und der Beweisführer…was das Gehirn denkt, versucht es auch zu beweisen (realisieren). Das betrifft natürlich nur einen selbst…Schatz arbeitet natürlich dagegen und lässt solche Gedanken nicht zu…ich muss das meinem Kopfkino beibringen…bei mir ist das aber oft so, wenn ich mir Dinge vorstelle, treffen sie nicht ein, oder ich kann damit besser umgehen…ich habe es ja bereits im meinem Kopf durchgespielt…
Bis dann
Liebe Veronika,diese Ängste sind Deine derzeitigen Begleiter und Du bist froh wenn die tatsächliche Situation abweicht ,vom gedachten. Ja , unser Hirn ist es oft, das einem durchleben lässt was noch garnicht stattgefunden hat. Manchmal ist es deshalb „gemein“ zu uns. Auch in den alltäglichen Dingen spielt unser Hirn uns Szenen vor —die noch ganicht möglich sind.Und wenn ein Mensch das durchmachen muss–was Du gerade durchmachst ist das sehr belastend. Ich darf Dich mal fragen wie das ist mit den Metastasen.Ich hole ein wenig aus weshalb ich das frage. Eine ehemaligen Kollegin hatte eine „erfolgreiche“ Beandlung bei Brustkrebs. Das was dazu gehört ist alles ins das zurückliegende Jahr gepackt.Wir haben uns vor 4 Wochen gesehen und waren beim Chinesen in Biebrich.Als der Abend zu ende war,und nach der der langen Verabschiedungsphase kamen wir wieder auf die bisher gut bewältigte Erkrankung von ihr und unter anderem sagte sie“::::ja und ich muss aufpassen und wachsam sein denn ich habe im Oberschenkel auch noch eine Metastase.“Ich war ganz verblüfft-weil ich das noch nie hörte. Ich dache diese( Mistviecher) wären so miniklein das sie nur in der Blutbahn vorkämen und beim Tumormarker im Labor in Erscheinung treten—oder kann man die fühlen ?—oder werden die mit Sintigrafie sichtbar gemacht.?Weist Du da mehr ? Ich schließe nun meinen Text. Wünsche weiterhin das Deine Stärke für Schatz und für Dich erhalten bleibt. Lieben Gruß. Pamela.
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